Interview mit Clarissa Corrêa da Silva

Der GOLDENE SPATZ, das größte Festival für deutschsprachige Kindermedien hat vom 20. bis 26. September 2020 zum 28. Mal ein junges Publikum und Filmgäste nach Gera und Erfurt eingeladen, um deutschsprachige Film- und Fernsehproduktionen sowie digitale Angebote für Kinder zu entdecken und auszuzeichnen. Beim GOLDENEN SPATZ gibt es insgesamt drei Jurys – die Kinderjury Kino-TV, die Kinderjury Digital und die Jury des MDR Rundfunkrates. Bei der großen Preisverleihung am Freitag, den 25. September 2020 wurden dann 7 GOLDENE SPATZEN, ein Jugendfilm-Publikumspreis und ein Urkunden-Preis für das beste Drehbuch vergeben. Ich selbst war ein Teil der fünfköpfigen Kinderjury Digital, bestehend aus zwei Mädchen und drei Jungen im Alter von 11 bis 13 Jahren, insofern war ich weder befangen noch parteiisch, als meine „Kollegen und Kolleginnen“ der Kinderjury Kino-TV meine Lieblingsmoderatorin des KiKA als beste Moderatorin gewählt haben. Die Kinderjury hat entschieden, dass Clarissa Corrêa da Silva die Auszeichnung verdient, weil sie ein großes Talent zum Moderieren hat und mit viel Energie und Freude ihren Job macht. Clari wurde aber nicht nur als beste Moderatorin ausgezeichnet, denn für „Triff… Harriet Tubman“ gab es einen weiteren GOLDENEN SPATZEN. In der Kategorie Information/Dokumentation/Dokumentarfilm konnte dieses KiKA-Format ebenfalls die Kinderjury überzeugen, weil der Beitrag informativ ist und ein interessantes und wichtiges Thema beinhaltet, das durch die guten Schauspieler und Schauspielerinnen positiv hervorsticht. Selbstverständlich habe ich natürlich gleich die Gelegenheit genutzt, um Clari ein paar Fragen zu stellen. 😉

Leo: Angefangen hast du mit der Sendung „KUMMERKASTEN“ beim KiKA. Mittlerweile moderierst du aber auch Wissen macht Ah!“, „Die Sendung mit der Maus“ und die sehr erfolgreiche Sendung „Triff…“. Welches Format magst du am liebsten und warum?

Clari: Ich finde es sehr schwierig, den Sendungen ein Ranking zu geben. Sie sind sehr, sehr unterschiedlich und jede in ihrer Art wirklich gut und alles tolle Wissensformate. Ich glaube, am liebsten mag ich es eben, Wissen zu vermitteln und das auf Augenhöhe mit den Zuschauer*innen.
„KUMMERKASTEN“ war mein Herzensprojekt, da ich damit irgendwie groß geworden bin – wenn man das so sagen kann. Aber es ist auch ok, dass es jetzt vorbei ist.
„Wissen macht Ah!“ war für mich erstmal total surreal und eine riesengroße Ehre, Teil dieses unfassbar tollen Formats zu sein. Ich bin unfassbar dankbar für die Freundschaft zu Ralph, und dass wir uns von Anfang an so gut verstanden haben.
„Die Sendung mit der Maus“ ist wie ein großes Familienfest und das ist einfach auch nur unfassbar toll, Teil dieser Familie und diesem absoluten Klassiker für alle Generationen zu sein.
„Triff…“ ist ja irgendwie mit mein Baby – aber es ist auch das jüngste Format und man kann daran noch viel feilen. Umso schöner, dass wir das noch hoffentlich lange weiter machen können und dürfen.

Leo: An der Seite von Ralph Caspers moderierst du Wissen macht Ah!“ –  eine Sendung, in der ihr uns Kindern Interessantes und Wissenswertes aus der ganzen Welt erklärt und das nicht nur lustig und urkomisch, sondern tatsächlich auch lehrreich. Da haben sich ja zwei „Besserwisser“ gesucht und gefunden, oder?

Clari: Absolut – ich würde sagen, vielleicht nicht Besserwisser – denn wir korrigieren uns ja jetzt nicht permanent – sondern Klugscheißer und Hüterin und Hüter des Unnötigen Wissens. 😉

Leo: Erzähl mal, hattest du Bammel in die Fußstapfen von Shary Reeves zu treten, die 16 Jahre lang diese Sendung mit Ralph moderiert hat?

Clari: Absolut! Ich hatte großen, gesunden Respekt, in Sharys Fußstapfen zu treten. Wusste aber schnell, dass es wichtig ist, nicht zu vergessen, dass wir einfach ein Dreier-Team sind (zumindest in der Wahrnehmung der Zuschauer). Das heißt, ich wollte auf keinen Fall eine „neue Shary“ sein, sondern ich bin einfach ich – Clarissa. Shary und Ralph haben eine besondere Beziehung und Ralph und ich haben auch eine besondere Beziehung. Und das merkt man auch. Und schon ist es automatisch etwas Neues. Aber überhaupt nicht nötig, mit dem anderen zu vergleichen. Ich bin überglücklich, dass das einfach so super funktioniert.

Leo: Immer wenn ich „Wissen macht Ah!“ schaue, muss ich lachen, bevor überhaupt irgendetwas Lustiges passiert, weil ich genau weiß, dass Ralph jetzt bestimmt wieder was raushaut. Wie ist das denn beim Drehen? Passiert da viel spontan? Oder habt ihr wirklich ein festes Konzept?

Clari: Wir haben schon erstmal ein festes Konzept. Denn unser Problem sind tatsächlich die Sendelängen. Sonst könnten wir viel, viel mehr improvisieren. Aber dadurch, dass unsere Moderationen ja keine Schnitte haben – also sogenannte „Onetaker“ sind – müssen wir es schaffen, in der Zeit zu bleiben und dafür ist ein Konzept natürlich hilfreich. Trotzdem passiert immer irgendetwas Spontanes. Wir lachen sehr, sehr viel, meistens über uns selber. Weil wir irgendwas fallen gelassen haben, witzige Versprecher hatten oder ein Experiment irgendwie völlig aus dem Ruder läuft.

Leo: Müsst ihr oft lachen und dann Szenen mehrmals drehen? Oder könnt ihr auf Knopfdruck ernst sein?

Clari: Wir versuchen oft, unsere witzigen Momente einfach drin zu lassen, denn es ist ja auch witzig, aber manchmal müssen wir es dann doch mehrfach drehen, weil wir sonst einfach zu lang werden in der Gesamtzeit der Sendung. Auf Knopfdruck ernst sein, klappt gaaaaanz selten und hält dann meistens auch nicht besonders lang.
In der letzten Staffel hatte ich einmal bestimmt einen fünfminütigen Lachanfall, sodass die Kamerafrau irgendwann die Kamera absetzte und meinte „das dauert bestimmt noch ein bisschen…“, es mussten aber auch alle mitlachen.

Leo: In deiner Sendung „Triff…“ bist du eine zeitreisende Promireporterin und du triffst berühmte Persönlichkeiten der Zeitgeschichte. Wenn du die Möglichkeit hättest, tatsächlich jemanden in der Vergangenheit zu besuchen – egal wen, wer wäre das?

Clari: Harriet Tubman natürlich – die würde ich sehr gerne treffen.

Leo: Ich selbst würde höchstwahrscheinlich Albert Einstein wählen, denn er war nicht nur genial, sondern auch ein Mann mit einer guten Portion Humor.

Clari: Gut, dass du das sagst. Albert Einstein haben wir definitiv auch auf unserer Liste. 😉

Leo: Wie kamst du überhaupt zum KiKA? Hast du direkt nach der Uni dort angefangen?

Clari: Zum KiKA kam ich, während ich mein Masterstudium in Weimar machte. Ich hab während meines Studiums immer nebenbei gearbeitet und eigentlich auch immer irgendwie redaktionell. Das brauchte ich für mich als Ausgleich zur trockenen Theorie und klar auch zum Leben aber eben auch, weil ich wusste, ich möchte unbedingt Journalistin werden und dafür braucht man vor allem Erfahrung. Da ich den KiKA schon immer toll fand – einfach gut und großartig, dass es einen öffentlich-rechtlichen Sender für Kinder und Jugendliche gibt – habe ich alles daran gesetzt, da arbeiten zu können. Nach der Uni durfte ich dann als freie Mitarbeiterin / Redakteurin in der Redaktion Nonfiktion anfangen und habe erstmal vor allem KiKA LIVE Sendungen gemacht.

Leo: Wusstest du schon während deiner Schulzeit, dass du eines Tages in der Medienbranche arbeiten möchtest? Was war denn dein Berufswunsch als du noch ein kleines Kind warst?

Clari: Ich wusste lange nicht, was ich später mal machen möchte. Als Kind wollte ich Kommissarin werden – als ich dann aber erfuhr, dass ich dafür eine Waffe tragen muss und eventuell auf Leute schießen muss, wollte ich das nicht mehr. Zwischenzeitig wollte ich dann Primaballerina werden. Da wurde mir aber auch schnell klar, dass das ein hartes Leben wird. Also war ich irgendwann auch auf dem Weg, zu sagen – ich ziehe nach Usedom, kaufe mir ein paar Pferde, werde Reitlehrerin und Schriftstellerin. Und zum Abi hin wusste ich aber, da schlägt ein großes Journalistinnen-Herz in mir.

Leo: Wie kam es dazu, dass deine Familie, als du 14 Jahre alt warst, nach São Paulo gegangen ist? Berlin war ja deine Heimat, auch wenn du brasilianische und israelische Wurzeln hast, war es da nicht schwer Anschluss in São Paulo zu finden?

Clari: Meine Eltern sind getrennt und meine Mutter war in Deutschland nicht mehr so happy. Also begleitete ich sie zurück in ihre Heimat und für mich hin in meine zweite Heimat. Ich wusste, nach dem Abi kehre ich zurück, um in Deutschland zu studieren. Aber klar – es war super hart. Gerade in dem Alter, ich hatte meinen ersten Freund und meine Freunde und alles… das war schrecklich.

Leo: Bist du dann vom deutschen Gymnasium direkt auf eine brasilianische Schule gegangen? Wie war das für dich?

Clari: Ich kam auf eine deutsch-brasilianische Schule. Das war eine private Eliteschule und ich fand das ganz furchtbar. Man war irgendwie auf dem Gelände eingesperrt, musste Uniform tragen und es war ein krasser Leistungsdruck. Da ich in der bilingualen Klasse war, hatten wir das Doppelte an Fächern aber die Hälfte der Zeit für den Stoff. Ich hatte aber keine andere Möglichkeit, denn nur da konnte ich ganz normal das Abitur ablegen, um dann problemlos in Deutschland studieren zu können.

Leo: Ich stelle mir das vor allem in diesem Alter sehr schwierig vor, wenn man seine Heimat und Freunde zurücklassen muss.

Clari: Zum Glück fand ich ziemlich schnell gute Freundinnen. Nicht viele aber dafür eben echte und gute und das macht alles schöner. Wenn man gute Leute um sich rum hat, kann man eigentlich überall glücklich werden – das habe ich da gelernt.

Leo: Brasilien und Deutschland – das sind zwei sehr unterschiedliche Kulturen. Mit welcher Mentalität kommst du besser klar? Das ist zwar immer ein wenig Klischee behaftet, aber ich vermute sehr, dass das Leben in Brasilien ganz anders ist als in Deutschland. Was ist für dich richtig typisch deutsch und was brasilianisch?

Clari: Das stimmt. Brasilien und Deutschland sind sehr unterschiedlich. Aber es gibt keine Mentalität, mit der ich besser klar komme. In beiden Kulturen und Mentalitäten gibt es viele gute Dinge, aber auch viele die mich nerven. Ich versuche, für mich die guten Dinge aus beiden zu vereinen.

Leo: Was ist dein Lieblingsessen?

Clari: Mein absolutes Lieblingsessen sind Falafel und Hummus. Hmmm, aber so ein guter leckerer Flammkuchen geht auch immer… hahahah, ich liebe einfach Essen. Außer Bananen, mit denen kannst du mich jagen.

Leo: Gibt es ein brasilianisches Gericht, das ich unbedingt mal probieren sollte? 

Clari: Es gibt viele tolle brasilianische Gerichte – aber ich würde dir auf jeden Fall mal empfehlen, Feijoada zu essen, wenn dir das mal über den Weg läuft. Das ist eigentlich DAS brasilianische Traditionsgericht. Ein schwarzer Bohneneintopf und stammt aus Zeiten der Sklaverei. Die Familien haben sich den zubereitet mit den Resten, die sie von ihren Besitzer*innen bekamen und konnten vor allem lange gut davon essen, wenn sie jeden Tag nur ein bisschen Wasser dazu gaben. Heute ist das wirklich immer ein tolles Event, wenn es Feijoada gibt.

Leo: Als Buchbloggerin muss ich dir natürlich noch die Frage nach deinem Lieblingsbuch stellen. Ich habe gelesen, dass du als Kind gerne Petterson und Findus gelesen hast. Ich gestehe, ich lese diese Geschichten noch immer sehr gerne. Welches Buch würdest du heute als dein Lieblingsbuch bezeichnen?

Clari: Jaaaa, Petterson und Findus ist toll! Mein Papa hat die mit mir immer gelesen und er war der alte Petterson und ich der quirlige Findus. Manchmal hat er mich dann auch so genannt… Zu meinem zwanzigsten Geburtstag habe ich mir die Bücher auch alle noch einmal gewünscht – damit ich sie alle habe und ich sie hoffentlich irgendwann mit meinen Kindern lesen kann. Aber ich muss sagen, mein absolutes Lieblingsbuch bis heute ist Ronja Räubertochter. Das ist auch für Erwachsene immer toll, weil es auch gar nicht so simpel geschrieben ist.

Leo: Und welches Buch hast du zuletzt gelesen?

Clari: Zuletzt habe ich auf Englisch den Roman „The Tattooist of Auschwitz“ gelesen. Das war sehr fesselnd und aber auch unfassbar traurig. Außerdem gab es dieses Pärchen tatsächlich, das gemeinsam Auschwitz und den zweiten Weltkrieg überlebt hat.

Leo: Was mich noch interessieren würde, ich habe gelesen, dass du abwechselnd deutsche, englische und portugiesische Bücher liest. Fällt dir das leicht? Ich lerne Englisch, Latein und Spanisch an der Schule und denke aber immer deutsch und übersetze dann im Kopf. Wie funktioniert das bei dir? Macht das überhaupt einen Unterschied für dich? Oder sprichst du die Sprachen alle so fließend, dass du gar nicht darüber nachdenken musst, was du liest?

Clari: Ja, das mache ich, um die Sprachen zu trainieren. Sprache ist ja nun mal schon wie ein Muskel – wenn du sie nicht regelmäßig sprichst, liest oder hörst, vergisst du natürlich auch immer ein bisschen was. Ich bin mit deutsch und portugiesisch groß geworden, das heißt, da muss ich nicht viel nachdenken, wenn ich das lese. Wobei ich im Portugiesischen schon auch Wörter nachschauen muss – vor allem, wenn es ältere oder sehr spezifische Wörter sind, die man jetzt so zuhause nicht spricht.

Leo: Herzlichen Glückwunsch! Du bist Preisträgerin des 28. Festivals GOLDENER SPATZ. Und das sogar zweifach! Denn einen Preis hast du in der Kategorie Information/Dokumentation/Dokumentarfilm für „Triff…Harriet Tubman“ erhalten und einen als beste Moderatorin. Auch wenn ich selbst nicht in der Kinderjury Kino-TV saß, sondern in der Kinderjury Digital, bin ich so froh, dass du das Rennen gemacht hast. Meine Stimme hättest du auf jeden Fall bekommen, weil das Format „Triff…“ echt klasse ist. Was war dein erster Gedanke, als du die Nachricht erhalten hast, dass du gewonnen hast? Und wen hast du als erstes dann angerufen?

Clari: Als Erstes bin ich zu meiner guten Freundin gerannt, die glücklicherweise auch bei mir mit in der Redaktion arbeitet und dann habe ich eigentlich gleich in die WhatsApp-Gruppe mit meinen Eltern geschrieben. Ich war total geehrt und habe mich riesig gefreut und das möchte man ja als Erstes mit seinen Liebsten teilen.

Vielen Dank, liebe Clari, dass du so spontan Zeit und Lust hattest, mir ein paar Fragen zu beantworten. Ich freue mich schon auf viele weitere Folgen von „Triff…“ – vor allem auf die über Albert Einstein.

Interview mit Yvonne Greitzke

Meine größte Leidenschaft gehört dem Lesen und dem Schreiben, aber es gibt so Momente, da wäre es einfach praktisch, wenn man jemanden hätte, der einem ein Buch vorlesen könnte. Wenn man so jemanden aber nicht hat, gibt es für dieses Problem selbstverständlich eine ziemlich einfache Lösung: Hörbücher! Mittlerweile sind meine Schwester und ich richtige Hörbuch-Fans geworden, wir sitzen manchmal stundenlang einfach nur rum und hören uns gemeinsam magische, lustige oder auch spannende Abenteuer an. Dabei ist uns aufgefallen, dass wir Stimmen erkennen und einem Sprecher bzw. einer Sprecherin zuordnen können. Klar haben wir auch ein paar Lieblingssynchronsprecher und eine davon ist auf jeden Fall Yvonne Greitzke. Sie ist die Stimme, die meine Kindheit geprägt hat. Ich war noch keine 5 Jahre alt, als der Disney-Film „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ ins Kino kam, und ich war vollkommen begeistert. Auch an mir ging das Merchandising nicht vorbei. Während meine kleine Schwester die Eiskönigin Elsa vergötterte, brannte ich für Anna. Lebenslustig und immer gut gelaunt – das gefiel mir. Ich weiß nicht, wie oft ich mir den Film angeschaut oder das Hörbuch und das Hörspiel angehört habe, aber es war wohl ausreichend genug, um den Text mittlerweile mitsprechen zu können. Diese eine Stimme würde ich unter tausenden von Stimmen wiedererkennen. Aber die Person selbst? Bis vor Kurzem kam mir nie in den Sinn, dass die Person hinter der Stimme nicht „Anna“, sondern tatsächlich ein echter Mensch sein könnte. Schon komisch. Als ich dann hörte, dass Yvonne Greitzke auch das Hörbuch zu „Lia Sturmgold“ eingelesen hat, wusste ich, dass ich dieses unbedingt haben muss. Und ich habe mich nicht geirrt, denn es war einfach fantastisch gelesen. Als ich dann auch noch gefragt wurde, ob ich Interesse hätte, Yvonne Greitzke mal zu interviewen, bin ich vor Freude fast an die Decke gesprungen. Ich meine, wer kann schon von sich behaupten, er hätte Prinzessin Anna von Arendelle interviewt? Tja, ich kann’s jetzt! 😉

(Foto: © Sonja Hornung)

Leo: Bei meiner Recherche zu diesem Interview habe ich gelesen, dass Sie bereits als Kind zum Synchronsprechen kamen. Haben Sie sich da beworben oder hat Sie zufällig jemand entdeckt?

Yvonne Greitzke: Man kann tatsächlich sagen, ich wurde „entdeckt“. Ich war damals Mitglied in einer Kinder-Musical-Gruppe, bei einer Aufführung wurde jemand auf mich aufmerksam und hat im Anschluss meine Eltern angesprochen.

Leo: Ihre erste Sprechrolle war die eines Jungen. War das für Sie damals in Ordnung oder haben Sie schon ein wenig mit den Augen gerollt, weil Sie sich eigentlich eine andere Rolle gewünscht hätten?

Yvonne Greitzke: Ich war damals acht Jahre alt und es war eine lustige Rolle, sie hat Spaß gemacht und daher war es völlig in Ordnung für mich. Bei Kinderstimmen kann man oft noch nicht unterscheiden, ob es Mädchen oder Jungen sind, oft werden Jungen von Mädchen oder anders herum gesprochen.

Leo: Hat man eigentlich ein „Abo“ auf eine Stimme oder muss man sich jedes Mal aufs Neue für die Sprechrollen bewerben?

Yvonne Greitzke: Ein „Abo“ hat man nicht direkt, aber es wird schon darauf geachtet, dass die Schauspieler*innen immer von denselben Sprecher*innen synchronisiert werden. Man wird dann für den neuen Film / die neue Serie angefragt. Sollte man aber gerade verreist sein oder krank oder einfach keine Zeit haben, kann es schon sein, dass die Rolle jemand anders spricht.

Leo: Sie sind die deutsche Stimme von Alicia Vikander, Britt Robertson und Hilary Duff. Was würde passieren, wenn tatsächlich alle drei Frauen einen gemeinsamen Film drehen?

Yvonne Greitzke: Das wäre eine sehr schwierige Situation. 😉 Wahrscheinlich würde ich in diesem Fall die Schauspielerin synchronisieren, die ich am häufigsten gesprochen habe. Bei diesen drei Frauen wäre das Alicia Vikander. Sie wäre tatsächlich auch meine erste Wahl. Ich habe auch schon von einem Kollegen gehört, bei dem dieser Fall eingetreten ist. Er durfte sich entscheiden, welche Rolle er am liebsten sprechen wollte.

Leo: Ich stamme ja aus der Generation, die quasi mit dem Film „Eiskönigin“ groß geworden ist. Das war einer meiner ersten Kinofilme. Danach war ich immer die Anna und meine Schwester die Elsa. Deshalb habe ich auch das Hörspiel sicherlich 197mal angehört, wenn nicht sogar öfter. Ich kann dementsprechend die Rolle der Anna tatsächlich auch mitsprechen. Die Stimme ist mir so vertraut, dass ich – obwohl ich bereits das Buch gelesen hatte – unbedingt auch das Hörbuch zu „Lia Sturmgold“ haben musste. Ich fand das Buch tatsächlich schon recht gut, aber das Hörbuch war richtig klasse. Eigentlich wollte ich nebenher mein Zimmer aufräumen, dabei ist mir dann aufgefallen, dass ich in den 6 Stunden einfach nur Löcher in die Wand gestarrt hatte, weil ich dem Hörbuch so fasziniert gelauscht habe. Wie bereitet man sich denn auf solch eine Sprechrolle eigentlich vor? Diese 6 Stunden werden ja sicherlich nicht an einem Stück aufgenommen – wie lange hat das Synchronisieren von „Lia Sturmgold“ gedauert?

Yvonne Greitzke: Das freut mich, dass dir „Lia Sturmgold“ so gut gefallen hat! Wenn ich ein Hörbuch lese, bekomme ich einige Wochen vorher das Buch zugeschickt und lese es dann erst einmal in Ruhe durch. Dabei kommen mir meist schon Ideen, wie ich die Rollen gern gestalten möchte. Ich mache mir dazu Notizen, markiere Dinge, die mir besonders auffallen oder zu denen ich Fragen habe. Dann lese ich das Buch noch einmal und diesmal laut, um mir die Rollen und wie sie klingen sollen, besser einprägen zu können. Für die Aufnahmen zu „Lia Sturmgold“ war ich zwei Tage im Tonstudio. Besonders herausfordernd ist es immer, wenn es sehr viele verschiedene Rollen gibt, die dann natürlich auch alle anders klingen sollen, wie es bei „Lia Sturmgold“ der Fall ist. Da kann es schon vorkommen, dass ich am Ende des Buches nicht mehr weiß, wie eine Elfe geklungen hat, die nur kurz zu Beginn vorkam. Zum Glück kann man dann im Tonstudio kurz reinhören, was man am Tag zuvor aufgenommen hat. 😉

Leo: Haben Sie eine Lieblings-Synchronrolle?

Yvonne Greitzke: Prinzessin Anna ist mir tatsächlich sehr ans Herz gewachsen, ich habe mich sehr gefreut, als ich vom zweiten Teil hörte.

Leo: Ist das Synchronisieren von Hörbüchern/-spielen einfacher als das Synchronisieren von Filmen, wo man eher auf die Lippenbewegungen achten muss?

Yvonne Greitzke: Ich würde nicht sagen, dass es einfacher ist, es ist eine ganz andere Art zu arbeiten. Bei Hörbüchern und Hörspielen kann man die Rollen gestalten, wie man möchte, man hat viel mehr Freiheiten. Bei Filmen muss man immer auf die Lippenbewegungen achten und sich nach der Vorlage (dem Original) richten.

Leo: Sie sind ja nicht nur Synchronsprecherin, sondern auch ausgebildete Schauspielerin und Sängerin. Wieso haben Sie die „Anna“ in „Eiskönigin“ nur gesprochen? Wieso hat Pia Allgaier den Gesang übernommen? Kam denn niemand auf die Idee, dass Sie die Lieder singen könnten?

Yvonne Greitzke: Ja, das finde ich auch sehr, sehr schade. Ich hätte wahnsinnig gern auch den Gesang übernommen. Als ich jedoch für die Sprache gecastet wurde, war der Gesang schon aufgenommen. Dass viele Sprecher*innen auch singen können, scheint (noch) nicht so bekannt zu sein.

Leo: Gab es jemals eine Situation beim Einkaufen (beispielsweise beim Bäcker oder Metzger), dass jemandem Ihre Stimme aufgefallen wäre? Kam je die Frage: „Sie kommen mir so vertraut vor? Kennen wir uns von irgendwoher?“

Yvonne Greitzke: Ich wurde mal auf dem Spielplatz von einem Kind als Anna erkannt, das war eine verrückte Situation, ich konnte es gar nicht glauben.

Leo: So, mehr fällt mir spontan nicht ein und deshalb bedanke ich mich nun für das Interview.

Yvonne Greitzke: Es freut mich sehr, dass du dich für unsere Arbeit interessierst. Danke für deine tollen Rezensionen auf deinem Blog und vielen Dank für die Einladung zu diesem Interview, mit wirklich spannenden Fragen.

Fasching 2014: Meine kleine Schwester und ich als Eiskönigin Elsa und Prinzessin Anna verkleidet.

Interview mit Stefanie Gerstenberger

Ich beteilige mich sehr gerne an Leserunden wie z.B. bei LovelyBooks oder bei der Lesejury, weil ich ganz großen Spaß daran habe, zu erfahren, was die anderen Leser an einem Buch gut finden oder auch nicht. Manche Textstellen werden ja auch ganz anders wahrgenommen und interpretiert. Ganz spontan kam es dann im Mai dazu, dass ein paar junge Buchbloggerinnen gemeinsam mit mir das Buch „Die Wunderfabrik: Keiner darf es wissen!“ von Stefanie Gerstenberger lesen wollten. Wir waren so begeistert von dem Buch, dass wir uns entschlossen haben: „Das müssen wir wieder tun!“ Deshalb lesen wir ab sofort „Die Wunderfabrik: Nehmt euch in Acht!“ Das schöne an unserer kleinen Leserunde ist aber die Tatsache, dass uns die Autorin abermals begleitet. Stefanie Gerstenberger hat uns auch schon während der ersten Runde mit Hintergrundinformationen versorgt und ich möchte euch natürlich nicht vorenthalten, welche Fragen ich der Autorin zwischenzeitlich gestellt habe. 😉

Leo: Ich bin überrascht, was du alles gemacht hast, bevor du Autorin geworden bist. Wie kam es denn dazu, dass du dich dann entschlossen hast ein Buch zu schreiben und dann gleich einen Bestseller? War „Das Limonenhaus“ tatsächlich dein erstes Werk oder hast du früher auch schon geschrieben?

Steffi: Nachdem ich mit 26 Jahren zwei Sommer hintereinander auf Elba verbracht habe, dort habe ich in einer kleinen Bar (aber eigentlich war’s eine Eisdiele), gearbeitet, und beim zweiten Mal dann in einer Diskothek an der Kasse, dachte ich: Mensch, jetzt hast du so viele tolle Sachen erlebt, die schreibst du jetzt mal auf! Und das tat ich. Und kam nach 60 Seiten nicht weiter, und konnte auf einmal nicht mehr schreiben und hatte keinen Plan … Dann las ich mehrere Bücher über das Schreiben und schrieb weiter, am selben Buch, ungefähr sechs Jahre lang. Kein Witz! Irgendwann war der Roman fertig, aber niemand wollte ihn haben, keine Agentur, und auch kein Verlag. Er war einfach noch nicht gut, aber das wusste ich nicht und war ziemlich frustriert.
Eine Freundin sagte dann, schreib doch noch ein zweites Buch, da ging ich erstmal wütend an die Decke, denn so einfach ist das alles nicht…
Aber: Sie hatte recht! Nachdem ich auf Sizilien war, hatte ich wieder eine Idee und begann…, diesmal besser vorbereitet, und ich schrieb auch nicht über meine Erlebnisse, sondern über die anderer Menschen: Das Limonenhaus. Die Agentur Schlück wollte das Manuskript sofort haben, obwohl noch ca. 200 Seiten fehlten, und siehe da, sogar einige Verlage waren interessiert und es wurde ganz erfolgreich.

Leo: Nach einigen Büchern für Erwachsene hast du gemeinsam mit deiner Tochter Marta ein paar Jugendbücher geschrieben. Erzähl doch mal, wie es dazu kam. Hat sich das nach und nach ergeben, weil du ihren Rat gebraucht hast, oder war die Zusammenarbeit tatsächlich geplant?

Steffi: Das war eine Idee, die schon sehr früh, beim gemeinsamen Spielen mit Marta entstanden ist. Wir spielten mit Puppen und mit Playmobil; wir haben wunderbare Phantasiewelten miteinander entworfen. Ich überlegte, was wäre, wenn ich wieder sechs, sieben oder acht Jahre alt wäre, und Marta als Kind treffen würde? Jetzt, in ihrer Kindheit, oder früher, in meiner Kindheit? Und habe diese Vorstellung einmal durchgespielt. Wir wären ziemlich beste Freundinnen geworden, ganz sicher!
Die Idee, so eine Geschichte einmal aufzuschreiben, habe ich nicht vergessen und als ich Marta dann 2013, zu den Dreharbeiten zum 2. Teil der Vampirschwestern-Filme begleitet habe, ging es los…
Im Zug nach München haben wir die ersten Figuren entworfen, festgelegt, wie sie „ticken“ sollten, natürlich sollten sie jetzt älter sein, nicht mehr sieben, sondern 15! Und es waren auch nicht wir (nur ein bisschen). Marta hat die Hauptfiguren in unsere schöne leere Schreib-Kladde gezeichnet. Wir haben die Familie Zimt und ihr wunderbar nach Schokolade duftendes Café ins Leben gerufen (wir lieben beide Schokolade, und Kuchen sowieso), und einen Grundriss davon gezeichnet. Ach, ich könnte noch seitenweise davon erzählen…
So wuchs die Geschichte in den nächsten Wochen. Als wir wieder zu Hause waren, ging es natürlich weiter. Und nach dem Erfolg des ersten Buches, wollte der Arena Verlag dann auch ein zweites und drittes… Für alle ab 12, traut euch, es sind auch tolle Geschichten!

Leo: Dann kam die Anfrage vom Fischer Verlag für ein Kinderbuch. Wie war das dann? Hattest du sozusagen nur eine Vorgabe, ein Kinderbuch zu schreiben? Du hast unserer Lesegruppe zu Band 1 erzählt, dass es eigentlich ein Kinderbuch mit dem Thema „Rollschuh laufen“ sein sollte. Wie hat der Verlag reagiert, als du dann gesagt hast, dass es doch was ganz anderes wird? Hat der Verlag dir einfach mal blind vertraut?

Steffi: Nach sechs Romanen für Erwachsene und 5 Jugendbüchern zusammen mit Marta kam die Anfrage vom Fischer Verlag, nachdem ich dort ein sehr süßes Bilderbuch rausbringen durfte. Ich habe die Rollschuhidee ablehnen müssen, dazu fiel mir echt nichts ein, und habe nur aufgezählt, was mich dagegen interessiert: Kinder ohne Eltern, ein dunkles Kinderheim, eingesperrt, Flucht, der Bösewicht, Ungerechtigkeit, Schokolade!
Und habe das dann auf zwei kurzen Seiten beschrieben. Henry war ursprünglich ein Mädchen (!), aus der Schokolade wurden Bonbons… aber sonst war schon viel Verrücktes aus der Wunderfabrik mit dabei.
Und mit diesem Entwurf haben wir dann gearbeitet, das war super, die „Bücherfrauen“ von Fischer waren nicht das kleinste bisschen irritiert, sondern haben mir echt vertraut!

Leo: In „Die Wunderfabrik“ geht es um Lakritze und was viele nicht wissen, du magst Lakritze nicht besonders – was ich übrigens vollkommen verstehe, denn ich esse wirklich alles, nur keine Lakritze. Wieso also Lakritze?

Steffi: Weil kurz bevor die Wunderfabrik herauskommen sollte, unheimlich viele Bücher mit diesem Bonbonthema & Magie ebenfalls herauskommen sollten…
Also wurde ich gefragt, ob ich mir statt Bonbons auch Lakritze vorstellen könnte. Ich sagte: Nein. Aber jetzt im Nachhinein, finde ich Lakritze viel besser! So schön dunkel und zäh in der Herstellung, und sie wird bunt, was Bonbons ja bereits gewesen wären. Perfekt also. Und manche Lakritzesorten mag ich auch. Zum Beispiel, die Schnecken, die man so schön ausrollen kann.

Leo: Bevor es mit dem Schreiben zum ersten Band anfing, warst du extra in England und in Wales. Welche Eindrücke konntest du sammeln und was konntest du dann verwerten? Hattest du einen richtigen Plan, was du alles in Wales recherchieren möchtest, oder war das Sammeln von Eindrücken eher spontan?

Steffi: Ich muss zugeben, ich kannte England gar nicht…! Nur aus vielen Büchern und Filmen, wie z.B. Harry Potter, aber das zählt ja nicht wirklich.
Und nach Wales wollte ich, seitdem ich mit 12 Jahren bei einem Schwimmaustausch nicht mit nach Cardiff durfte … wie gemein! Da war also auch noch eine Rechnung offen.
Als ich endlich in London aus dem Zug stieg, dachte ich: WOW! So habe ich es mir tatsächlich vorgestellt!
Aber die kleinen Details, die in Büchern so wichtig sind, die habe ich natürlich nicht gekannt, und dann wie wild um mich fotografiert und notiert. Es war herrlich!
Porridge probiert, U-Bahn gefahren, walisische Schafe beschnuppert, walisischen Eintopf gegessen… Ich konnte alles „gebrauchen“! Wales ist übrigens noch mal sehr speziell, ich bin mit dem Auto (auf der falschen Straßenseite) an die Küste gefahren, um ein hübsches Plätzchen für meine Villa zu finden und die Fabrik irgendwo unterzubringen. Warum nicht unter einer Düne, die ich dort entdeckte…?
Das ist meine Erfahrung: Ich darf nicht zu früh losfahren, sondern muss die Geschichte schon einigermaßen im Kopf haben, um zu wissen, wonach ich suche…
Die Fotos habe ich dann immer über meinem Schreibtisch hängen, um auch zu Hause noch in dieser Atmosphäre zu bleiben.

Leo: Übrigens finde ich die Geschichte, wieso die Reihe in Wales spielt, ganz zauberhaft. Ein lang gehegter Wunsch selbst mal nach Wales zu reisen, ging also hiermit für dich in Erfüllung. Ich bin gespannt, welche Länder du in Zukunft noch bereisen möchtest. Ist denn schon irgendetwas in Planung? Band 3 erscheint im Frühjahr und was kommt danach?

Steffi: Das weiß ich noch nicht genau. Der 3. Teil ist übrigens echt toll geworden, ich war beim Schreiben selber überrascht, wie gut es flutschte und welchen Spaß ich wieder mit allen Figuren hatte. Besonders mit… oh, ihr werdet euch wundern…
Ein viertes Buch darf ich für den Fischer Verlag noch schreiben, aber weil der dritte Teil der Wunderfabrik so ein geniales, abschließendes Ende hat, (meine bescheidene Meinung) wollen wir es zunächst mal dabei belassen und keinen 4. Teil dranhängen. Es sei denn, eine von meinen Leserinnen hat eine tolle Idee für eine Fortsetzung… dann heraus damit!
„Die Wunderfabrik“ war ja von Anfang an auf 3 Teile ausgelegt, aber ich finde, eine eigenständige Geschichte wäre jetzt ganz erfrischend, die dann eventuell noch ausgebaut werden kann.

Leo: Zum Abschluss des Interviews möchte ich mich natürlich recht herzlich bei dir bedanken, dass du ein Teil unserer ersten Leserunde warst. Toll, dass du uns mit Hintergrundinformationen „gefüttert“ und uns Einblicke ins private Fotoalbum gewährt hast. Ich freue mich nun sehr auf die zweite Leserunde.

Steffi: Danke, liebe Leo! Es hat mir viel Spaß gemacht und bin sehr gespannt, wie ihr Leserunden-Teilnehmerinnen den 2. Teil findet!

Interview mit THiLO

Im Sommer vor meiner Einschulung habe ich die erste Bekanntschaft mit Büchern von THiLO gemacht. Damals habe ich nämlich zum ersten Mal an der Aktion „Heiß auf Lesen“ in unserer Bücherei teilgenommen. Eigentlich geht es bei „Heiß auf Lesen“ darum, die Kinder zum Lesen zu animieren – ganz egal, ob nur ein Buch oder auch mehrere gelesen werden. Mich wollte man zuerst nicht mitmachen lassen, da ich ja noch ein Kindergartenkind war und es ist ja bekannt, dass Kindergartenkinder nicht lesen können. Wie bitte? Das hat mich richtig wütend gemacht! Bei dieser Aktion soll doch die Liebe zum Lesen gefördert werden und dann lässt man ein Kind nicht teilnehmen, nur weil es vor dem Durchschnittslesealter schon lesen kann! Kurzum – ich habe dann geschummelt. Ich bin tags drauf in die Bücherei gegangen, diesmal zu einer anderen Dame, die mich noch nicht kannte, und dann habe ich gesagt, dass ich nach dem Sommer in die zweite Klasse komme. Somit war ich angemeldet und vor allem aber auch angestachelt. Ich wollte es allen zeigen, dass sie im Unrecht waren. Ich ging dann also fast täglich in die Bücherei und habe ein Buch nach dem anderen gelesen und danach mündlich rezensiert. Am Ende der Sommerferien waren es stolze 36 Bücher. Nicht schlecht für ein Kindergartenkind, oder? Die Vielzahl war natürlich nur möglich, weil sich die Bücher für Leseanfänger leicht und schnell lesen lassen. Immer mal wieder kam mir dann ein Buch in die Hand, dessen Autor sich THiLO nannte. Ich habe mich schon damals über den Namen gewundert und mich gefreut, dass mir THiLO jetzt diese Frage und natürlich noch ein paar weitere beantworten konnte.

(Foto: © THiLO)

Leo: Ich habe ein wenig im Vorfeld zu diesem Interview recherchiert und weiß nun einiges mehr von Ihnen, aber vielleicht erzählen Sie mal, wie und wann Sie zum Schreiben und zum Beruf „Autor“ kamen. Ich gehe davon aus, dass die elterliche Buchhandlung wahrscheinlich prägend dafür war, oder?

THiLO: Klar, das war natürlich toll, eine Mutter zu haben, die Buchhändlerin ist. Wenn man Schreiner werden will ist es auch ein Vorteil, wenn man schon mal einen Tisch gesehen hat. Ich habe auch als Schüler schon gerne geschrieben – nur nicht das, was die Lehrer wollten. Die Aufsätze wie „Mein schönster Ferientag“ gingen bei mir so: Ich war von morgens bis abends mit meinen Freunden auf dem Fußballplatz – Aufsatzende. Auf meinem Zeugnis in der Dritten Klasse waren alle Fächer gut, nur Aufsätze schreiben ausreichend
Später wollte ich dann Journalist werden und habe während des Studiums bei Zeitungen und beim Radio gearbeitet. Als ich beim ZDF ein Praktikum gemacht habe, brauchten sie gerade Drehbuchautoren für die Sendung 1, 2 oder 3 – und der Prakti durfte es auch mal versuchen. Das Drehbuch wurde tatsächlich genommen und von da ab habe ich mich in der Kindergeschichtenlandschaft wie ein Krake ausgebreitet.

Leo: Es ist ein Traum aller Leseratten: Aufwachsen in einer Buchhandlung! Welche Bücher haben Ihr Interesse damals als Kind geweckt und waren Sie überhaupt schon buchbegeistert als Kind? Bei vielen Menschen entwickelt sich die Liebe zu Büchern ja erst viel später.

THiLO: Ich habe als Kind wirklich sehr viel gelesen, aber eben auch Fußball gespielt, es war eine gesunde Mischung. Ich durfte mir aber trotzdem nicht alle Bücher aus der Buchhandlung einfach so mitnehmen. Deshalb war ich auch in der Bücherei Dauergast. Ich glaube, ich habe alle Kinderbücher gelesen, die es damals gab. Gerne auch Sachbücher.

Leo: Was war Ihr Lieblingsbuch in Ihrer Kindheit?

THiLO: Robinson Crusoe. 27 Jahre alleine auf einer Insel zu leben und sich rundherum selbst zu versorgen fand ich damals sehr faszinierend (heute auch noch).

Leo: Welche Bücher gehören heute zu Ihren Lieblingsbüchern? Was lesen Sie gerne?

THiLO: Das ist immer unterschiedlich. Nach meinem Abitur – als ich nicht mehr musste – habe ich bei der Ferienarbeit alle Klassiker gelesen, Goethe, Schiller, Brecht, Hesse, Fontane (das sind ähnlich gute Schriftsteller wie ich). Ich habe extra anders Pause gemacht, als die Arbeiter dort, damit die mich nicht eingebildet finden und verkloppen. Heute lese ich manchmal ein halbes Jahr lang nur Krimis, dann wieder Biografien. Es gibt wenige Bücher, die mich überhaupt nicht interessieren.

Leo: Wieso nennen Sie sich THiLO? Das ist doch schon ein etwas außergewöhnlicher Künstlername.

THiLO: Das ist wirklich mein Vorname, ich schreibe ihn noch immer so, wie ich es mir mit vier Jahren beigebracht habe.

Leo: Wie sieht Ihr Arbeitsplatz aus? Wie arbeiten Sie am liebsten? Und wo schreiben Sie? Konzentrierte Ruhe und allein im Büro oder ein Spaziergang an einem belebten Ort?

THiLO: Einen typischen Arbeitsplatz habe ich gar nicht. Ich kann überall schreiben, im Zug, im Café, am Strand. Ich bin etwa 200 Tage im Jahr – in normalen Jahren – unterwegs. Ich brauche nicht mehr als mein Laptop, wenn es rundherum zu unruhig ist, setze ich mir Kopfhörer auf.

Leo: Wie sieht so ein typischer Arbeitstag aus? Haben Sie überhaupt einen typischen Alltag?

THiLO: Auch das ist sehr unterschiedlich. Mal ist es wie bei den meisten anderen Menschen, ich beginne um 8 Uhr und höre um 17 Uhr auf. Oft schreibe ich aber auch an Sonntagen oder abends. Da ich so unglaublich gerne schreibe, habe ich dann trotzdem nicht das Gefühl, dass ich gerade arbeite.

Leo: Wie kommen Sie auf die zahlreichen Ideen? Gibt es Vorgaben von Verlagen? Oder schreiben Sie einfach, was Ihnen in den Sinn kommt? Was machen Sie, um Ideen zu sammeln?

THiLO: Die Ideen gehen mir tatsächlich nie aus – bisher jedenfalls. Es kann sein, dass das mit den vielen Büchern zu tun hat, die ich als Kind verschlungen habe. Generell sind ja alle guten Geschichten ähnlich aufgebaut, also das Skelett ist gleich, sozusagen. Das Fleisch ist dann neu. Und wenn ich mitten in einer Geschichte steckenbleibe, gehe ich auf den Friedhof, zu den ganz alten Gräbern. Ich lese mir die Namen und Daten durch und sofort rattert es in meinem Kopf los, wie deren Leben wohl gewesen ist. Das setzt dann auch andere Ideen frei.

Leo: Wer darf Ihre neuen Texte und Werke als erstes lesen?

THiLO: Meine Texte lesen immer die Lektor/Innen als Erste nach mir. Früher habe ich meistens meinen Kindern sofort die fertigen Geschichten vorgelesen. Aber die sind nun alle schon zu alt für Kinderbücher und noch nicht alt genug, um wieder welche zu lesen. Manchmal, wenn ich Rat brauche, lese ich ihnen aber doch ein, zwei Kapitel vor. Und was sie mir sagen, setze ich um.

Leo: Zum Thema Leseförderung habe ich mal gehört, dass die Zahl der lesenden Kinder wieder steigt. Das finde ich gut. Was müsste man tun, um Kindern (und deren Eltern) das Thema „Lesen“ näherzubringen?

THiLO: Erstens natürlich von klein an Vorlesen, aber nicht so nebenbei, sondern am besten in kuscheliger Umgebung. Dann wird Lesen generell mit Wohlfühlen verbunden. Zweitens ist es gut, wenn die Eltern selbst lesen und ruhig auch mal sagen: „Ich kann gerade nicht, mein Buch ist so spannend.“ Das macht dann neugierig, was es mit diesen schwarzen Zeichen auf dem Papier auf sich hat. Und drittens sollte man als Eltern nicht in gute und schlechte Literatur einteilen. Comics sind genauso gut geeignet, ein Kind zum Leser zu machen, wie Bücher. Auch Eltern lesen ja nicht immer nur Goethe oder THiLO, sondern auch mal leichte Unterhaltung.

Leo: Welches Ihrer eigenen Bücher ist Ihr liebstes Buch? Mögen Sie eins mehr als alle anderen?

THiLO: Ich mag tatsächlich fast alle meiner Bücher immer noch sehr, sehr gerne. Das ist wie, wenn man viele Kinder hat: Alle sind verschiedenen, aber ich liebe sie alle gleich stark. Es gibt unter ihnen keines (jetzt meine ich wieder die Bücher), für das ich mich heute schäme (für meine Kinder sowieso nicht…)

Leo: Sie schreiben sehr viel. Wie lange benötigen Sie im Schnitt für ein Buchprojekt?

THiLO: Ich bin tatsächlich ein sehr schneller Schreiber. Und je weniger Zeit ich für ein Buch habe, desto besser wird es. Oft vergesse ich dann, was ich geschrieben habe und erkenne ganze Kapitel nicht wieder, wenn ich es gedruckt in Händen halte. Als Journalist mussten die Texte für die 12 Uhr Nachrichten um 11 Uhr 30 fertig sein, um 12 Uhr 1 konnte sie niemand mehr gebrauchen.

Leo: Ich habe auf Instagram bei Ihnen reingeschaut und bin erstaunt. Der Account ist mal so ganz anders, als der von anderen Autoren. Finde ich cool. Die meisten Instagram Accounts gleichen sich wie ein Ei dem anderen. Kennt man einen, kennt man alle. Ihr Account ist ja noch relativ neu, wie kam es dazu? Weil alle einen haben und es zeitgemäß ist? Oder hatten Sie Langeweile während der Corona-freien Zeit? Wurden Sie etwa von Ihren Kindern dazu überredet? Wie viel Zeit investieren Sie in Ihre Social Media Aktivität?

THiLO: Langeweile habe ich nie. Aber mein Einstieg bei Instagram war eine Folge von anderen Projekten, die ich im Corona-April begonnen habe. Da allein in diesem Jahr 80 Lesungen von mir ausgefallen sind, habe ich einen Weg gesucht, um mit meinen Lesern, deren Eltern, BuchhändlerInnen und BibliothekarInnen in Kontakt zu bleiben. Meine Kinder haben mir dabei gute Tipps gegeben. Ich wollte einen Account haben, der meinen Abonnenten auch wirklich einen Gewinn bringt, nicht nur immer meine neusten Bücher in einem Karton zeigen. Ich erzähle etwas von mir, dazu gibt es schöne Bilder. Manchmal bin ich damit 15 Minuten beschäftigt, an manchen Tagen aber auch mal 3 Stunden.

Leo: Welchen ultimativen Tipp können Sie mir geben, damit das mit meinem Berufswunsch, Buchautorin zu werden, auch klappt?

THiLO: Oh, schwere Frage. Bei mir war es ganz leicht. Ich hatte vorher schon jede Menge Drehbücher fürs Kinderfernsehen geschrieben, Sesamstraße, Bibi & Tina, Schloss Einstein, Siebenstein und andere. Da hat mein erster Verlag natürlich Hurra! geschrien, als ich sie angerufen habe. Mein Tipp ist nur: Schreibe einfach weiter. Lass diese Geschichte liegen und beginne eine ganz neue. Und dann noch eine. Es wird automatisch immer besser.

Leo: Sie bieten auch Schreibworkshops an. Das klingt ziemlich interessant. Was sind das für Menschen, die da mitmachen? Sind wirklich alle schreibbegabt?

THiLO: Zu den Workshops kommen Menschen mit unterschiedlichstem Anspruch. Manche wollen in den nächsten 12 Monaten einen Bestseller in den Buchcharts haben, andere nur für ihre Nachfahren ihre Lebensgeschichte spannend aufschreiben. Manche haben schon Kurzgeschichten veröffentlicht, manche noch kein Wort zu Papier gebracht. Bei manchen wird es wahrscheinlich nicht zu einem Buchvertrag reichen, aber unbegabt zum Schreiben ist niemand. Ich zeige ihnen dann einige Tricks, das Handwerkszeug sozusagen. Viele kommen aber auch zu mir, um sich einfach eine Woche lang voll aufs Schreiben konzentrieren zu können. Bei meinen Workshops stört nichts, es gibt keinen Lärm, alle Teilnehmer waren ausnahmslos sehr nett und die Landschaft drumherum ist schön – und obendrein stehe ich mit Rat und Tat zur Seite.

Leo: Während der letzten Monate mussten wir alle unser Leben umstellen. Was haben Sie die letzten vier Monate gemacht? Hat sich für Sie viel geändert? Schreiben kann man ja auch trotz Corona, aber fehlen Ihnen die öffentlichen Auftritte bzw. Lesungen?

THiLO: Bei mir sind ab Mitte März alle Lesungen weggefallen. Plötzlich hatte ich unerwartet viel freie Zeit – um mal etwas Positives in dem Ganzen zu sehen. Wie Millionen andere Menschen auch war ich mit meinen Kindern den ganzen Tag zuhause. Da kam mir die Idee, einen Escape-Room zum Ausdrucken zu entwickeln. Die Lockdown-Agents sind kein Buch oder Spiel, das man am Tisch macht, sondern die ganze Wohnung wird in einen Escape-Room verwandelt. Alles, was man dazu braucht, ist in der PDF enthalten, die man auf www.thilos-gute-seite.de herunterladen kann. Das Thema war dann sofort in vielen Zeitungen und ich wurde zu Online-Workshops eingeladen – und das Abenteuer wurde bis jetzt schon fast 10.000 mal heruntergeladen.
Die öffentlichen Auftritte, besonders die Kontakte zu meinen LeserInnen fehlen mir natürlich. Aber ich nehme es so hin, wie es ist. Irgendwann komme ich zurück in die Schulen, Buchhandlungen und Bibliotheken und dann wissen alle diese Lesungen noch mehr zu schätzen.

Wer noch mehr über THiLO erfahren möchte, darf nun gerne zur Homepage des Autors springen. Dort findet ihr übrigens auch die Abenteuer der Lockdown-Agents.

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Ich wurde in den letzten Tagen häufig gefragt, in welcher Folge des Tigerenten Clubs ich mit meiner Klasse zu sehen war. Dieses Video und das Video von meinem Besuch beim Tigerenten Club im Mai 2017 findet ihr hier.