Meine größte Leidenschaft gehört dem Lesen und dem Schreiben, aber es gibt so Momente, da wäre es einfach praktisch, wenn man jemanden hätte, der einem ein Buch vorlesen könnte. Wenn man so jemanden aber nicht hat, gibt es für dieses Problem selbstverständlich eine ziemlich einfache Lösung: Hörbücher! Mittlerweile sind meine Schwester und ich richtige Hörbuch-Fans geworden, wir sitzen manchmal stundenlang einfach nur rum und hören uns gemeinsam magische, lustige oder auch spannende Abenteuer an. Dabei ist uns aufgefallen, dass wir Stimmen erkennen und einem Sprecher bzw. einer Sprecherin zuordnen können. Klar haben wir auch ein paar Lieblingssynchronsprecher und eine davon ist auf jeden Fall Yvonne Greitzke. Sie ist die Stimme, die meine Kindheit geprägt hat. Ich war noch keine 5 Jahre alt, als der Disney-Film „Die Eiskönigin – Völlig unverfroren“ ins Kino kam, und ich war vollkommen begeistert. Auch an mir ging das Merchandising nicht vorbei. Während meine kleine Schwester die Eiskönigin Elsa vergötterte, brannte ich für Anna. Lebenslustig und immer gut gelaunt – das gefiel mir. Ich weiß nicht, wie oft ich mir den Film angeschaut oder das Hörbuch und das Hörspiel angehört habe, aber es war wohl ausreichend genug, um den Text mittlerweile mitsprechen zu können. Diese eine Stimme würde ich unter tausenden von Stimmen wiedererkennen. Aber die Person selbst? Bis vor Kurzem kam mir nie in den Sinn, dass die Person hinter der Stimme nicht „Anna“, sondern tatsächlich ein echter Mensch sein könnte. Schon komisch. Als ich dann hörte, dass Yvonne Greitzke auch das Hörbuch zu „Lia Sturmgold“ eingelesen hat, wusste ich, dass ich dieses unbedingt haben muss. Und ich habe mich nicht geirrt, denn es war einfach fantastisch gelesen. Als ich dann auch noch gefragt wurde, ob ich Interesse hätte, Yvonne Greitzke mal zu interviewen, bin ich vor Freude fast an die Decke gesprungen. Ich meine, wer kann schon von sich behaupten, er hätte Prinzessin Anna von Arendelle interviewt? Tja, ich kann’s jetzt! 😉
Leo: Bei meiner Recherche zu diesem Interview habe ich gelesen, dass Sie bereits als Kind zum Synchronsprechen kamen. Haben Sie sich da beworben oder hat Sie zufällig jemand entdeckt?
Yvonne Greitzke: Man kann tatsächlich sagen, ich wurde „entdeckt“. Ich war damals Mitglied in einer Kinder-Musical-Gruppe, bei einer Aufführung wurde jemand auf mich aufmerksam und hat im Anschluss meine Eltern angesprochen.
Leo: Ihre erste Sprechrolle war die eines Jungen. War das für Sie damals in Ordnung oder haben Sie schon ein wenig mit den Augen gerollt, weil Sie sich eigentlich eine andere Rolle gewünscht hätten?
Yvonne Greitzke: Ich war damals acht Jahre alt und es war eine lustige Rolle, sie hat Spaß gemacht und daher war es völlig in Ordnung für mich. Bei Kinderstimmen kann man oft noch nicht unterscheiden, ob es Mädchen oder Jungen sind, oft werden Jungen von Mädchen oder anders herum gesprochen.
Leo: Hat man eigentlich ein „Abo“ auf eine Stimme oder muss man sich jedes Mal aufs Neue für die Sprechrollen bewerben?
Yvonne Greitzke: Ein „Abo“ hat man nicht direkt, aber es wird schon darauf geachtet, dass die Schauspieler*innen immer von denselben Sprecher*innen synchronisiert werden. Man wird dann für den neuen Film / die neue Serie angefragt. Sollte man aber gerade verreist sein oder krank oder einfach keine Zeit haben, kann es schon sein, dass die Rolle jemand anders spricht.
Leo: Sie sind die deutsche Stimme von Alicia Vikander, Britt Robertson und Hilary Duff. Was würde passieren, wenn tatsächlich alle drei Frauen einen gemeinsamen Film drehen?
Yvonne Greitzke: Das wäre eine sehr schwierige Situation. 😉 Wahrscheinlich würde ich in diesem Fall die Schauspielerin synchronisieren, die ich am häufigsten gesprochen habe. Bei diesen drei Frauen wäre das Alicia Vikander. Sie wäre tatsächlich auch meine erste Wahl. Ich habe auch schon von einem Kollegen gehört, bei dem dieser Fall eingetreten ist. Er durfte sich entscheiden, welche Rolle er am liebsten sprechen wollte.
Leo: Ich stamme ja aus der Generation, die quasi mit dem Film „Eiskönigin“ groß geworden ist. Das war einer meiner ersten Kinofilme. Danach war ich immer die Anna und meine Schwester die Elsa. Deshalb habe ich auch das Hörspiel sicherlich 197mal angehört, wenn nicht sogar öfter. Ich kann dementsprechend die Rolle der Anna tatsächlich auch mitsprechen. Die Stimme ist mir so vertraut, dass ich – obwohl ich bereits das Buch gelesen hatte – unbedingt auch das Hörbuch zu „Lia Sturmgold“ haben musste. Ich fand das Buch tatsächlich schon recht gut, aber das Hörbuch war richtig klasse. Eigentlich wollte ich nebenher mein Zimmer aufräumen, dabei ist mir dann aufgefallen, dass ich in den 6 Stunden einfach nur Löcher in die Wand gestarrt hatte, weil ich dem Hörbuch so fasziniert gelauscht habe. Wie bereitet man sich denn auf solch eine Sprechrolle eigentlich vor? Diese 6 Stunden werden ja sicherlich nicht an einem Stück aufgenommen – wie lange hat das Synchronisieren von „Lia Sturmgold“ gedauert?
Yvonne Greitzke: Das freut mich, dass dir „Lia Sturmgold“ so gut gefallen hat! Wenn ich ein Hörbuch lese, bekomme ich einige Wochen vorher das Buch zugeschickt und lese es dann erst einmal in Ruhe durch. Dabei kommen mir meist schon Ideen, wie ich die Rollen gern gestalten möchte. Ich mache mir dazu Notizen, markiere Dinge, die mir besonders auffallen oder zu denen ich Fragen habe. Dann lese ich das Buch noch einmal und diesmal laut, um mir die Rollen und wie sie klingen sollen, besser einprägen zu können. Für die Aufnahmen zu „Lia Sturmgold“ war ich zwei Tage im Tonstudio. Besonders herausfordernd ist es immer, wenn es sehr viele verschiedene Rollen gibt, die dann natürlich auch alle anders klingen sollen, wie es bei „Lia Sturmgold“ der Fall ist. Da kann es schon vorkommen, dass ich am Ende des Buches nicht mehr weiß, wie eine Elfe geklungen hat, die nur kurz zu Beginn vorkam. Zum Glück kann man dann im Tonstudio kurz reinhören, was man am Tag zuvor aufgenommen hat. 😉
Leo: Haben Sie eine Lieblings-Synchronrolle?
Yvonne Greitzke: Prinzessin Anna ist mir tatsächlich sehr ans Herz gewachsen, ich habe mich sehr gefreut, als ich vom zweiten Teil hörte.
Leo: Ist das Synchronisieren von Hörbüchern/-spielen einfacher als das Synchronisieren von Filmen, wo man eher auf die Lippenbewegungen achten muss?
Yvonne Greitzke: Ich würde nicht sagen, dass es einfacher ist, es ist eine ganz andere Art zu arbeiten. Bei Hörbüchern und Hörspielen kann man die Rollen gestalten, wie man möchte, man hat viel mehr Freiheiten. Bei Filmen muss man immer auf die Lippenbewegungen achten und sich nach der Vorlage (dem Original) richten.
Leo: Sie sind ja nicht nur Synchronsprecherin, sondern auch ausgebildete Schauspielerin und Sängerin. Wieso haben Sie die „Anna“ in „Eiskönigin“ nur gesprochen? Wieso hat Pia Allgaier den Gesang übernommen? Kam denn niemand auf die Idee, dass Sie die Lieder singen könnten?
Yvonne Greitzke: Ja, das finde ich auch sehr, sehr schade. Ich hätte wahnsinnig gern auch den Gesang übernommen. Als ich jedoch für die Sprache gecastet wurde, war der Gesang schon aufgenommen. Dass viele Sprecher*innen auch singen können, scheint (noch) nicht so bekannt zu sein.
Leo: Gab es jemals eine Situation beim Einkaufen (beispielsweise beim Bäcker oder Metzger), dass jemandem Ihre Stimme aufgefallen wäre? Kam je die Frage: „Sie kommen mir so vertraut vor? Kennen wir uns von irgendwoher?“
Yvonne Greitzke: Ich wurde mal auf dem Spielplatz von einem Kind als Anna erkannt, das war eine verrückte Situation, ich konnte es gar nicht glauben.
Leo: So, mehr fällt mir spontan nicht ein und deshalb bedanke ich mich nun für das Interview.
Yvonne Greitzke: Es freut mich sehr, dass du dich für unsere Arbeit interessierst. Danke für deine tollen Rezensionen auf deinem Blog und vielen Dank für die Einladung zu diesem Interview, mit wirklich spannenden Fragen.