Das Verhalten ziemlich normaler Menschen
von K.J. Reilly
übersetzt von Ute Mihr
dtv
(Reihe Hanser)
Paperback
Jugendbuch
352 Seiten
Altersempfehlung: ab 14 Jahren
Originaltitel: Four for the Road
ISBN: 978-3-423-65040-3
Ersterscheinung: 17.10.2024
Wenn du dich auf einen Roadtrip machst, um jemanden umzubringen, rechnest du nicht damit, dich auf dem Weg zu verlieben.
Inhalt:
Der siebzehnjährige Asher Hunter sinnt auf Rache, denn seine Mutter kam vor etwa einem Jahr bei einem Autounfall ums Leben. Obwohl der Unfallverursacher betrunken mit seinem Truck unterwegs war, lässt das Gericht keine Klage zu. Für Asher unverständlich, denn er leidet noch immer jede Nacht unter heftigen Albträumen. Von Therapeuten fühlt sich Asher nicht verstanden, sodass er sich nur widerwillig dazu bereit erklärt, einer Trauergruppe beizutreten. Da es zunächst die falsche Gruppe ist, nämlich eine für Erwachsene und ältere Menschen, geht er zusätzlich auch noch in die Gruppe für Jugendliche. Schnell lernt er den 80-jährigen Henry und die beiden Teenager Sloane und Will kennen, die er dazu überreden kann, ihn auf seinem Roadtrip zu begleiten.
Meinung:
Der 17-jährige Asher Hunter ist eigentlich ein ziemlich normaler Teenager. Doch warum verhält er sich dann nicht wie einer? Gibt es überhaupt so etwas wie eine Bedienungsanleitung, wie man sich verhalten sollte, wenn man vor einem Jahr seine Mutter bei einem Autounfall verloren hat? Die Autorin zeigt uns, dass Trauerbewältigung auf viele verschiedene Arten stattfinden kann. Asher Hunter sinnt beispielsweise auf Rache, weil der Unfallverursacher, der betrunken seine Mutter totgefahren hat, vor Gericht durch einen Formfehler ungestraft davongekommen ist. Ashers neue Freunde, die er in den zahlreichen Trauergruppen gefunden hat, haben auch jeweils nahestehende Menschen verloren. Alle trauern, doch jeweils anders. Und so kommt es, dass der 80-jährige Henry und die beiden Jugendlichen Sloane und Will Asher auf seinem Roadtrip von New Jersey nach Memphis, Tennessee begleiten. Eine recht unterhaltsame, aber auch sehr emotionale Reise, die viele Veränderungen und Entscheidungen mit sich bringt. Und was anfangs eher einer Zweckgemeinschaft gleicht, entwickelt sich immer mehr zur Freundschaft. Obwohl es in dieser Geschichte weitestgehend um den Tod und die Trauerbewältigung geht, steht der Roman am Ende doch für das Leben.
Fazit:
„Das Verhalten ziemlich normaler Menschen“ von K.J. Reilly ist eine Roadnovel und eine Freundschaftsgeschichte für das Lesealter ab 14 Jahren. Gnadenlos ehrlich und herzzerreißend erleben wir Ashers Gefühlschaos hautnah mit. Von mir gibt es sehr gute 4,5 von 5 Sternchen.
Lieblingszitate:
„Die Botschaft ist, dass Menschen wie Löwenzähne sind, die so unbedingt überleben wollen, dass sie, selbst wenn man sie mit Beton übergießt, einen Weg finden, ihren Kopf aus einem Riss im Gehweg zu strecken, oder beim Versuch, das zu tun, sterben.“ (S. 111)
und
„Sie ist zarter, als ich gedacht hätte, und es ist eigentlich mehr Motorradjacke und Lederstiefel als Mädchen, aber sie passt perfekt in meine Arme. Es fühlt sich an, als wären wir die letzten zwei Teile, die nötig sind, um ein Puzzle fertig zustellen. Aber nicht die Ecken oder Ränder oder andere eindeutig erkennbare Teile. Ich und Sloane sind die einfachen Teile in der Mitte des Puzzles, unifarben wie der Himmel, zwei der Teile, die du zur Seite gelegt hast, weil du nie gedacht hättest, dass sie irgendwo passen.“ (S. 149 f.)
und
„Auf dem Weg verliebte ich mich in ein Auto voller Fremder. Und die Hälfte von ihnen war tot.“ (S. 159)
und
„Akzeptiere, dass das Leben nur rückwärts verstanden werden kann, leben muss man es aber vorwärts.“ (S. 333, frei nach Søren Kierkegaard)