Im Rahmen der großen JUMBO Verlag Jubiläumstour haben wir schon einige spannende Berufe entdecken können. Bei Ally fing die Tour mit einem Interview mit der Synchronsprecherin Julia Nachtmann an, Sandra hat sich mit Tontechniker Jonas unterhalten und bei Janett lernten wir Isabell Kumpe kennen, die die Social Media Kanäle des Jumbo Verlags betreut. Bei mir lernt ihr heute Christina Zierk kennen, sie ist Lektorin bei GOYAlibre und bearbeit zusätzlich auch ein paar Projekte im Audio- und Buchbereich von JUMBO. Im Interview erzählte mir Christina, was zur täglichen Arbeit einer Lektorin gehört.
Leo: Wie wird man Lektorin? Welchen Ausbildungsweg muss man einschlagen? Ist ein bestimmtes Studium notwendig?
Christina Zierk: Eine extra Studienausrichtung für Lektor*innen gibt es nicht, wie es beispielsweise Medizin für Ärzt*innen gibt, aber viele Personen, die im Lektorat arbeiten, haben geisteswissenschaftliche Studienabschlüsse, wie z. B. in Germanistik oder Literaturwissenschaften. Zusätzlich zum Studium ist es immer sehr gut, über Praktika in Verlage reinzuschnuppern und so die Lektoratsarbeit kennenzulernen und schon einmal ein wenig Erfahrung zu sammeln. Nach dem Studium habe ich ein Volontariat im Lektorat gemacht und so die Verlagsarbeit noch einmal sehr viel intensiver kennengelernt.
Leo: Welche Fähigkeiten muss man als gute Lektorin besitzen? Was ist sozusagen deine „Superkraft“?
Christina Zierk: Auf jeden Fall braucht man ein Gespür für gute Texte und als Hörbuchlektorin zusätzlich ein gutes Ohr und eine gute Vorstellungskraft, welche Stimme für welche Texte funktionieren. Meine „Superkraft“ sind also meine Ohren, die jedes Schmatzen und Magengrummeln sofort hören.
Leo: Welchen Teil deines Jobs magst du am liebsten? Gibt es etwas, das dich an deiner Arbeit stört?
Christina Zierk: Am liebsten mag ich die Vielfältigkeit meiner Arbeit. Als Hörbuchlektorin habe ich unglaublich viele verschiedene Aufgaben. Ich lese viele Manuskripte von anderen Verlagen, die uns als Hörbücher angeboten werden, dann muss geguckt werden, wie Texte am besten umgesetzt werden. So haben wir uns bei „Love is for Losers“ z. B. für eine szenische Lesung mit vielen Stimmen entschieden, damit die kecke und rasante Art des Textes auch auditiv super funktioniert, während wir uns bei „Night of Crowns“ für eine Umsetzung mit einer Sprecherin entschieden haben, um Alices‘ Geschichte spannend und authentisch umzusetzen. Und wenn wir uns für eine Umsetzung entschieden haben, muss ich Audiofassungen bearbeiten und erstellen und mich auf die Aufnahmen vorbereiten. Die Aufnahmen selbst machen auch immer unglaublich viel Spaß, einerseits die Regie der Texte zu übernehmen und andererseits mit so tollen Sprecher*innen zusammenzuarbeiten. Wenn ich sagen muss, was mich stört, dann ist es vielleicht, dass mir die Texte und Geschichten sehr ans Herz wachsen, ich verbringe ja quasi meine komplette Zeit mit ihnen, und es dann schade ist, wenn sie sich dem Ende nähern und abgeschlossen werden. Aber dafür steht dann meistens das nächste Projekt vor der Tür.
Leo: Wie sieht ein normaler Tagesablauf in deinem Beruf aus?
Christina Zierk: Morgens werden erst einmal die E-Mails gelesen und beantwortet und je nachdem, in welchem Stadium sich die Projekte befinden, muss ich mich dann auf die Regie der Aufnahme vorbereiten oder fertig geschnittene Masterdateien, die wir von unseren Tontechniker*innen bekommen, abhören. Momentan stecken wir auch in der Planung unserer kommenden Projekte und hierfür muss ich Manuskripte prüfen, Bilddaten anfordern und wir bereiten unseren Vorschaukatalog vor, in dem die Titel vorgestellt werden.
Leo: Was sind deine Hauptaufgaben als Lektorin?
Christina Zierk: Kurz gefasst bestehen meine Hauptaufgaben vor allem im Hörbuchbereich aus dem Prüfen von Manuskripten, den Vorbereitungen der Aufnahmen, die Regie der Aufnahmen selbst und dem Abhören von Masterdateien, die dann schließlich zu CDs gepresst und in den Download-Bereich gestellt werden.
Leo: Wie lange braucht man ungefähr, um ein Manuskript zu lesen und zu bewerten?
Christina Zierk: Das ist tatsächlich sehr unterschiedlich je nach Manuskript und vor allem, welche Zielgruppe die Manuskripte haben, nimmt das unterschiedlich viel Zeit in Anspruch. Wenn ich für JUMBO für den Mini-Bereich Bilderbücher mit 30 Seiten prüfe, geht das deutlich schneller, als wenn ich für GOYAlibre einen Jugendroman mit 400 Seiten prüfe.
Leo: Du musst ja aus beruflichen Gründen sicher viel lesen. Endet dein Arbeitstag irgendwann oder liest du in deiner Freizeit auch mal für die Arbeit weiter?
Christina Zierk: Ich versuche natürlich immer, alle Manuskripte in der Arbeitszeit zu lesen, aber bei der zweiten Folge von „Night of Crowns“ war ich so in der Handlung drin, dass ich abends zu Hause noch das Ende lesen musste. Und es gibt auch einige Überschneidungen. So kommt es schon mal vor, dass ich ein englisches Jugendbuch privat lese und es am nächsten Tag von einem deutschen Verlag zur Prüfung im E-Mail-Postfach habe.
Leo: Arbeitest du eigentlich von zu Hause aus? Oder gehst du lieber ins Büro, weil du dich da vielleicht besser konzentrieren kannst?
Christina Zierk: Vor allem durch Corona arbeiten wir momentan sehr viel von zu Hause aus. Spätestens zu den Aufnahmen müssen wir dann ins Studio. Aber vor allem die Abwechslung von Homeoffice und Büro passt sehr gut, so kann ich zu Hause sehr viel konzentrierter und schneller ohne Ablenkungen Manuskripte prüfen oder Audiofassungen bearbeiten. Im Büro freue ich mich immer wieder, alle Kolleg*innen zu sehen.
Leo: Kannst du privat ein Buch lesen, ohne dass dir die kleinen Fehler auffallen, die öfters in Büchern zu finden sind?
Christina Zierk: Beim Lesen klappt das sehr gut, ich lese bei der Arbeit aber auch anders als privat. Privat schweifen meine Gedanken mal schneller ab oder ich bin so in der Handlung drin, dass ich ganze Passagen schnell überfliege, um das Ende zu erfahren, während ich bei der Arbeit sehr viel genauer auf den Text achte. Beim Hören von Hörbüchern klappt das nicht immer so gut, da frage ich mich häufiger, warum sich für welche Stimme entschieden wurde, und hier fallen mir kleine Störgeräusche viel öfter auf, aber das ist wohl eine „Berufskrankheit“.
Leo: Wie viele Manuskripte liest du durchschnittlich im Monat?
Christina Zierk: Das kommt ganz auf die Zeit an. Wenn wir unsere Programme für die nächsten Halbjahre planen und von anderen Verlagen Manuskripte zum Prüfen bekommen, kann man sich manchmal gar nicht vor der Flut der Texte retten, während es zu anderen Zeiten zwar auch immer etwas zu Prüfen gibt, aber deutlich weniger.
Leo: Woran erkennst du ein gutes Manuskript?
Christina Zierk: Bei GOYAlibre achten wir vor allem darauf, dass die Manuskripte authentisch geschrieben sind und die Gefühlswelt der Hörer*innen wiedergeben und auch verantwortungsvoll mit ihren Problemen und Fragen umgegangen wird. Der Schreibstil ist dabei auch sehr wichtig und muss in den Bann ziehen. Ein Schema F für gute Manuskripte gibt es nicht, aber dann wären ja auch alle Texte gleich.
Leo: Gibt es typische Fehler, die dir beim Lektorieren sofort auffallen?
Christina Zierk: Es gibt ein paar Rechtschreib- und Grammatikfehler, die sich immer wieder in Texte einschleichen, aber so etwas ist schnell behoben. Vor allem bei Hörbüchern achten wir darauf, dass es nicht zu viele Wort- und Satzwiederholungen in einem Text gibt. Die fallen beim Sprechen viel mehr auf als beim Lesen. Beim Sprechen und Hören lernt man einen Text nochmal ganz anders kennen.
Leo: Liebe Christina, vielen Dank für das Interview und für den spannenden Einblick in deinen Beruf als Lektorin bei GOYAlibre.
Hi Leo,
vielen Dank für deine spannenden Fragen. Das Interview war wirklich sehr interessant.
Womit ich nicht gerechnet habe ist, dass man im Lektorat auch viel mit dem „Testhören“ beschäftigt ist. Ich dachte, dass der Schwerpunkt des Testhörens da vor allem auf dem Inhalt liegt und nicht z.B. auf der Prüfung von Störgeräuschen.
viele Grüße
Emma